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„Was sagt man da?!!“

„Was sagt man da?!!“ - Bedürfnis - Bitte - Gewaltfreie Kommunikation (GFK) für Kitas

„Was sagt man da?!!“ Hand aufs Herz – wenn Sie mit Kindern arbeiten oder eigene Kinder haben – gehört dieser Satz auch zu Ihrem Repertoire? Ich habe mich unlängst dabei ertappt. An der Wursttheke. Ein Klassiker. Die nette Fleischfachverkäuferin reckt sich mit einem Stückchen Fleischwurst über die Theke. Mein Sohn nimmt dieses etwas schüchtern entgegen. Stille. Für mich peinliche Stille. Ich halte es nicht mehr aus und sage zu meinem Sohn diesen Satz: „Was sagt man da?!!“

Jetzt ist mein Sohn peinlich berührt. Artig sagt er „Danke“ und verkrümelt sich hinter meinem Einkaufswagen. Ich ärgere mich. Ich ärgere mich über mich selbst. Ich sollte es wirklich besser wissen. Dieser berühmte Satz, den wir alle kennen! Selbst die, die keine Kinder haben, kennen diesen Satz aus eigenen Kindertagen. Haben Sie sich wohl gefühlt, wenn jemand diesen Satz zu Ihnen gesagt hat? Ich habe ihn als Kind gehasst. Warum? Dieser Satz ist eine Zurechtweisung. Oft sogar eine öffentliche Zurechtweisung. Ganz schön demütigend, oder?

Unter Erwachsenen gilt das als absolutes No-Go. Wenn ich in Unternehmen unterwegs bin, höre ich das immer wieder. Mitarbeiter, die durchaus kritikfähig sind, verbitten sich Kritik vor versammelter Mannschaft oder von oben herab. Und ich sage zu meinem Sohn in aller Öffentlichkeit „Was sagt man da?!!“

Eine Zurechtweisung gehört zu den Dominanzstrategien. Der Anwender erzeugt damit eine Hierarchie, ein Oben und ein Unten, ein Stärker und ein Schwächer. Die Forschung hat gezeigt, dass Dominanzstrategien oft Ursachen von Konflikten sind. Der Mensch mag keine Dominanzstrategien. Früher oder später begehrt er auf, entzieht sich dem Anwender oder richtet die Aggression gegen sich selbst. Alles irgendwie doof. Und besonders beängstigend, wenn ich an Kinder denke.

Wie immer in der Gewaltfreien Kommunikation (GKF) hilft die Frage nach dem guten Grund weiter. Was ist mein guter Grund, diesen Satz in dieser Situation auszusprechen? Welches Bedürfnis habe ich mir damit erfüllt? Es ging mir um Zugehörigkeit und Integrität. Scham ist ein gutes Indiz, wenn es um Zugehörigkeit geht. Die Evolution hat dieses biologische Programm entwickelt, damit wir wieder in die Gemeinschaft zurückfinden. Cleverer Überlebensmechanismus – eigentlich. Blöd nur, dass dieses Programm auch heute noch anspringt, wenn ein Ausschluss aus einer Gemeinschaft nicht mehr den sicheren Tod bedeutet. Ich wollte in der Supermarktgemeinschaft dazugehören, von der Verkäuferin als gleichwertig akzeptiert werden. Das Bedürfnis nach Integrität war für mich nicht erfüllt, da ich mich als Elternteil für das Benehmen meines Sohnes verantwortlich fühle: „Eltern haften für ihr Kinder.“
Um die Selbstempathie – so nennt die GFK diese Selbstreflexion – abzuschließen, fehlt jetzt noch die Entwicklung einer Lösungsstrategie: Was kann ich tun, damit mir das nicht noch einmal passiert? Und was kann ich tun, um die angeschlagene Beziehung zu meinem Sohn zu verbessern?

Für die Beziehungsverbesserung mit meinem Sohn rede ich mit ihm. Ich sage ihm, wie sehr ich es bedaure, diesen Satz vorhin gesagt zu haben. Ich erkläre ihm, wie ich mich gefühlt habe und worum es mir ging. Ich gestehe, dass es viel weniger um die Beziehung „Mama – Sohn“ und viel mehr um die Beziehung „Mama – Verkäuferin“ ging.: „Was soll sie von mir denken?!!“ Mein Sohn hört mir aufmerksam zu. Er fühlt sich ernst genommen. Ich frage ihn, ob er nun, mit dem Hintergrundwissen, beim nächsten Wurststück darauf achtet, „Danke“ zu sagen. Er willigt verständnisvoll ein. Ich stelle erfreut fest, dass die Beziehung zwischen uns beiden wieder passt!

„Was sagt man da?!!“ - Beziehung - Erziehung - Kontakt - Gewaltfreie Kommunikation (GFK) für Kitas

Bleibt noch die Lösungsstrategie für die Frage, wie ich beim nächsten Mal reagiere, wenn wieder das Wurststück schweigend entgegengenommen wird. Denn die verständnisvolle Zusage von meinem Sohn ist keine Garantie! Ich wappne mich mit dem Entschluss einfach das „Danke“ zu übernehmen und danach, unter vier Augen, erneut mit meinem Sohn zu sprechen. Die Beziehung zu meinem Kind ist mir wichtiger, als zu der zugegeben äußerst netten Fleischfachverkäuferin.

Ich hoffe, diese kleine Geschichte macht es dem Satz „Was sagt man da?!!“ in Zukunft schwer.
Und ich hoffe, diese kleine Geschichte macht Ihnen Mut. Mut, ihre eigenen, kleinen Dominanzstrategien zu entdecken, Mut neue Wege zu gehen, Mut die BEziehung zu Kindern der ERziehung von Kindern vorzuziehen.

Bleiben Sie dran. Es lohnt sich!

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