Martha ist traurig. Ihr Papa ist ausgezogen. Sie vermisst ihn, sie vermisst ihr altes Leben mit Mama und Papa unter einem Dach.
Im Hort zieht sie sich zurück. Martina, die pädagogische Fachkraft, macht sich Sorgen.
Ein trauriges Kind zu sehen ist für uns schwer zu ertragen. Viele von uns springen dann schnell in ihren „Blaumann“, schnappen sich den Werkzeugkasten und wollen Reparieren. Im Handwerkskasten liegt die Ablenkung ganz oben auf. „Komm, spiel doch mit den anderen Kindern, dann wird es gleich besser.“ Im Handwerkskasten findet sich auch das Trösten: „Ist doch nicht so schlimm. Viele Kinder haben heutzutage getrennte Eltern.“ Im Handwerkskasten finden sich auch die eigenen Geschichten: „Meine Eltern haben sich auch getrennt. Das war für mich damals…. .“
Dominanzstrategien
Diese Werkzeuge Ablenken, Trösten und eigene Geschichten erzählen gelten als Dominanzstrategien. Warum?
Wie jedes Gefühl ist auch Trauer ein biologisches Programm, das dem menschlichen Überleben dient. Wenn ein Mensch traurig ist, verlangsamt sich sein Stoffwechsel, er zieht sich zurück, er möchte alleine sein, er braucht Ruhe. Die Evolutionsbiologie erklärt das damit, dass die Veränderung verunsichert und damit lebensgefährlich ist. Die schützende Aufmerksamkeit vor Gefahren funktioniert nicht mehr zuverlässig. Daher findet ein Rückzug in eine sichere Umgebung statt. Hier kann in Ruhe Kraft getankt werden für einen Neuanfang.
Ich finde, man kann den Mechanismus vergleichen mit dem Zurückziehen aller Kraft einer Blume in die Zwiebel im Herbst. Nach einer Regenerationszeit und wenn es draußen wieder wärmer wird, tritt die Kraft wieder nach außen. Wir reden vom „Aufblühen“.
Wenn wir Ablenken, Trösten oder eigene Geschichten erzählen, blockieren wir diesen Regenerationsprozess. Der Mensch kann sich nicht auf die neue Situation einstellen, sich nicht erholen. Wir dominieren ihn. Auf Dauer macht das krank.
Wenn Kinder trauirg sind – der Trauer Raum geben
Was können wir stattdessen tun? Nach der Gewaltfreie Kommunikation (GFK) können wir der Trauer Raum geben. Sie als das akzeptieren, was es ist: ein Bedürfnis. Trauer darf, Trauer muss sein!
Martina setzt sich neben Martha. Innerlich heißt sie Marthas Trauer willkommen. Für diesen Moment hält sie Marthas Trauer. Das kann sie schweigend tun. Dann fragt sie, ob Martha ihre Hand in die von Martina legen möchte. Martha schüttelt den Kopf. Martina sagt nur leise o.k. und bleibt weiter bei Martha sitzen. Irgendwann wird Martina gerufen. Der Hort-Alltag geht weiter. Sie fragt Martha, ob sie mitkommen möchte. „Nein.“ Martina nickt. „Soll ich nachher noch einmal zu Dir kommen?“ Martha nickt.
Wenn es Ihnen gelingt, Kindern in ihrer Trauer so zu begegnen, dann entsteht in diesem Moment eine sehr enge Verbindung. Ich finde das ist eine ganz besondere Sternstunde.
Bleiben Sie dran. Es lohnt sich!
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