In unserer Küche gibt es eine Kücheninsel. Drum herum stehen Hocker. Gerne versammelt sich hier die Familie am späten Nachmittag zum Plaudern und Snacken. Mein jüngster Sohn (damals 4) kletterte von einem der Hocker auf den Tisch und machte es sich dort bequem.
Seien Sie ehrlich – was denken Sie darüber: Ein Kind sitzt auf dem Tisch, während alle anderen auf den Stühlen sitzen und essen. Die speckigen Kindergartensocken hat er noch an…
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Ich kann Ihnen sagen, was ich dachte: „Seit wann sitzen wir auf dem Tisch?“ und „Das muss er unbedingt lernen, dass man das nicht macht!“ und „Was sollen die anderen denken, wenn ich ihm das jetzt durchgehen lasse?“ Kommt Ihnen das bekannt vor?
Welche Bedürfnisse sind bei diesen Gedanken in Mangel? Bei mir waren es hauptsächlich Hygiene aber auch Zugehörigkeit. Wieso Zugehörigkeit werden Sie sich jetzt vielleicht fragen. Wenn ich möchte, dass sich meine Kinder „NORMGERECHT“ verhalten, handelt es sich oft um Zugehörigkeit. Ich möchte von der Gesellschaft akzeptiert werden, dazugehören. Und ich möchte, dass auch meine Kinder akzeptiert werden und damit dazugehören. (Streng genommen ist Letzteres mein Bedürfnis nach „Beitragen“ – aber das nur am Rande.)
Welchen guten Grund wird mein Sohn gehabt haben, es sich AUF dem Tisch bequem zu machen? Vielleicht kommt er so besser ans Essen? Ich habe ihn gefragt. Nein, das war es nicht. Ich ließ einen neuen Testballon steigen: „Hast Du Dich auf den Tisch gesetzt, damit wir Dich genauso sehen und genauso hören können wie die anderen am Tisch, die schon größer sind?“ Ich ernte ein freudiges Nicken. Na klar, das Kerlchen will dazugehören und auf Augenhöhe mit uns sein. Wenn sich keiner zu ihm hinunterbeugt – Sie kennen sicher das berühmte Bild von Herzogin Kate, die vor ihrem Sohn in die Knie geht – also, wenn sich schon keiner zu ihm hinunterbeugt, dann klettert er eben hinauf. Eigentlich eine ziemlich coole Strategie.
Was hilft uns diese Erkenntnis, die wir durch Anwendung der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) gewonnen haben? Ich nutze sie, um in guten Kontakt mit meinen Kindern zu treten und damit die Beziehung zu stärken. Meine richtige Vermutung über den guten Grund seines Verhaltens zeigt ihm auf jeden Fall: DU BIST MIR WICHTIG. ICH VERSTEHE DICH. Das ist schon gut. Aber meine Bedürfnisse nach Hygiene und Zugehörigkeit sind noch immer nicht erfüllt. Welche alternativen Strategien habe ich, außer ihn auf einen Stuhl zu verweisen? Ich erkläre meinem Sohn (ja, auch obwohl er erst 4 Jahre alt ist), um was es mir geht.
Für die Hygiene einigen wir uns ziemlich schnell darauf, dass er sich frische Socken anzieht. Für die Zugehörigkeit erkläre ich ihm, dass es in unserer Gesellschaft üblich ist, sich AN und nicht AUF Tische zu setzen. Wir einigen uns darauf, dass er sich nur zu Hause AUF den Tisch setzt und auch nur, wenn kein Besuch da ist. Ich bin zuversichtlich, dass sich dieses „Problem“ mit dem körperlichen Wachstum meines Sohnes regeln wird.
Kein Gezeter, kein Gezerre – Harmonie am Küchentisch. Wenn das nicht kostbar ist….
Bleiben Sie dran. Es lohnt sich!
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